Der Ernährungsrat Berlin begrüßt die Empfehlungen des Bürgerrats zum Thema „Ernährung im Wandel“. Die Forderungen sind richtig und liegen im Grunde schon sehr lange auf dem Tisch. Mit diesem Rückenwind aus der breiten Bürgerschaft muss die Bundesregierung jetzt endlich in die Umsetzung investieren. Nur so kann das Ziel einer sozial gerechten und ökologisch tragfähigen Ernährung erreicht werden.

Die Zeit für vage Strategien ist auch in der Agrar- und Ernährungspolitik vorbei. Jetzt müssen alle Ebenen – vom Bund bis zu den Kommunen – an einem Strang ziehen, um regionale Produktions- und Versorgungsstrukturen für gesunde, nachhaltig und fair erzeugte Lebensmittel zu stärken und Kantinen, Kiezküchen und andere Gemeinschaftsorte rund ums Thema Essen auszubauen.

Die erste Forderung des Bürgerrats betrifft das kostenfreie Mittagessen für alle Kinder als Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit. In Berlin gibt es dieses Angebot immerhin schon für alle Grundschulkinder – nicht aber für ältere Schüler*innen. Berlin sollte seine Vorreiterrolle an dieser Stelle unbedingt ausbauen. Zudem sind die Bedingungen, unter denen die Kinder das Essen zu sich nehmen, oft ungünstig: Zu wenig Zeit und zu wenig Platz in den Mensen verhindern, dass das Essen ein zentraler Bestandteil gemeinschaftlichen Erlebens und Lernens ist. Der Ernährungsrat Berlin fordert, dass in allen Berliner Schulneubauten eigene Küchen und angemessen große Speiseräume eingeplant werden.

Essen ist keine private Entscheidung, sondern Folge von materiellen Möglichkeiten, Ernährungsumgebungen und Bildung. Kinder aus ärmeren Familien sind viermal so häufig fettleibig wie Kinder aus wohlhabenderen Familien. Mangelernährung hat Einfluss auf die körperliche und geistige Entwicklung. Deshalb verstärken sich Mangelernährung und Armut gegenseitig. Das zu ändern ist eine politische und gesellschaftliche Aufgabe, so der Ernährungsrat Berlin.

Die Empfehlungen des Bürgerrats:

Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ hat am 14. Januar 2024 neun Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungspolitik beschlossen. Zu den Vorschlägen gehören kostenloses Kitaessen, gesunde Lebensmittel ohne Mehrwertsteuer und eine bessere Tierwohl-Kennzeichnung. Die Losversammlung war der erste offiziell vom Bundestag eingesetzte Bürgerrat.

Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind folgende Punkte für eine bessere Ernährung wichtig.

  1. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder: Bundesweit soll an allen Kindergärten und Schulen kostenfreies und gesundes Mittagessen angeboten werden
  2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label: Für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte soll es ein verpflichtendes staatliches Laben geben. Das Label soll die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und soll wissenschaftlich fundiert sein.
  3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel: Supermärkte und andere Lebensmittelgeschäfte ab einer Größe von 400 Quadratmetern Verkaufsfläche sollen verpflichtet werden, noch genießbare Lebensmittel, die sonst weggeworfen würden, an gemeinnützige Organisationen weiterzugeben.
  4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen: Ein verpflichtendes und staatlich kontrolliertes, ganzheitliches Tierwohllabel soll den gesamten Lebenszyklus von Nutztieren abbilden.
  5. Neuer Steuerkurs für Lebensmittel: Die Definition von Grundnahrungsmitteln soll überarbeitet werden. Darunter sollen in Zukunft auch Produkte wie pflanzliche Milchersatzprodukte, Fleischersatzprodukte und alle nach Bio-Standards erzeugten Produkte fallen. Zucker soll hingegen nicht mehr als Grundnahrungsmittel gelten und damit die darauf erhobene Mehrwertsteuer auf 19 Prozent angehoben werden. Auf Produkte wie unverarbeitetes und tiefgefrorenes Obst und Gemüse in Bio-Qualität, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide sowie Mineral- und Tafelwasser soll keine Mehrwertsteuer mehr erhoben werden.
  6. Gemeinschaftsverpflegung in Pflegeeinrichtungen: In Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und anderen Pflegeeinrichtungen soll der Zugang zu gesunder und ausgewogener Ernährung sichergestellt werden.
  7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls: Mit einer zweckgebundenen Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte soll der Umbau der Tierhaltung hin zu einer artgerechten Nutztierhaltung finanziert werden. Die Einnahmen aus der Verbrauchsabgabe sollen für eine Tierwohlprämie genutzt werden, die landwirtschaftliche Betriebe kontinuierlich erhalten, wenn sie die Haltungsform verbessern. Dabei soll gelten: je besser die Haltungsform, desto höher die Prämie.
  8. Altersgrenze für Energydrinks: Für den Kauf von Energydrinks und ähnliche Produkte soll ein Mindestalter von 16 Jahren eingeführt werden.
  9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz: Die Berufsordnung für Lebensmittelkontrolleure soll so so geändert werden, dass die Zugangshürden für diesen Beruf gesenkt werden. Kontrollergebnisse sollen der Öffentlichkeit auf einfache Weise zugänglich gemacht werden.

Zudem hat der Bürgerrat in einer übergreifenden Empfehlung festgestellt, dass Aufklärung und Bildung das Fundament für alle anderen Empfehlungen des Bürgerrats sind.

Die ausführlichen Empfehlungstexte und weitere Einzelheiten finden sich hier.

Kommentar zu den Empfehlungen des Bürgerrats “Ernährung im Wandel”