Gutes Essen für Alle!

Wo stehen wir?

Viele zukunftsweisende Initiativen tummeln sich in der „Bio-Hauptstadt“ Berlin. „Gutes Essen“ – also sorgsam hergestellte regionale, fair bezahlte, nachhaltig produzierte Lebensmittel – ist in Berlin nicht schwer zu bekommen. Zumindest wenn man einer kaufkräftigen, gebildeten Bevölkerungsschicht angehört, die ausreichend Zeit für genüssliches Einkaufen und bestenfalls Mithelfen auf dem SoLaWi-Acker zur Verfügung hat und im Idealfall auch noch Zugang zu einem Fahrzeug für die Fahrt zum Hofladen hat.

Fast ein Viertel der Berliner Bevölkerung leben laut Armutsbericht jedoch unterhalb der Armutsschwelle und müssen sich mit knappen Haushaltbudgets herumschlagen, ihr Zeit zwischen schlecht bezahlten Arbeitsstellen, Ämterbesuchen, Kinderbetreuung und vielleicht noch Arztbesuchen jonglieren und wohnen obendrein womöglich nicht annähernd in der Nähe eines Bioladens oder auch nur eines Vollsortiment-Supermarkts, ganz zu schweigen von regionalen Hofläden. Gleichzeitig steigen Immobilienpreise schneller, als Gemüse wächst: Bezahlbarer Wohnraum wird immer mehr zur Mangelware. Fast 40 Prozent der Haushalte in Deutschlands Großstädten müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um ihre Miete zu bezahlen – bei Haushalten an der Armutsgrenze sind es im Mittel sogar fast 40 Prozent.

Die ungleichen Möglichkeiten, sich regelmäßig mit gutem Essen zu versorgen, werden auch in der deutlich höheren Quote ernährungsbedingter Krankheiten in armen Bevölkerungsschichten widergespiegelt – denn leere Kalorien sind billiger als vollwertige, gesundheitsfördernde Produkte.

Wo wollen wir hin?

Gutes Essen ist für alle zugänglich. Die Kennziffern für ernährungsbedingte Krankheiten sinken, an innovativen Ernährungsprojekten nimmt ein bunter Bevölkerungsdurchschnitt teil, die üblichen Einkaufsorte haben mehr frisch und Bio im Sortiment. Am durchgreifendsten: alle Kita- und Schulkinder in Berlin erhalten ein kostenloses, nachhaltig produziertes und größtenteils regional bezogenes Mittagessen. In den sonstigen Orten der Gemeinschaftsverpflegung wird ebenfalls ein durchweg nachhaltig und regional und/oder fair gehandeltes Angebot zu bezahlbaren Preisen breitgestellt.

Unsere dringlichsten Forderungen:

  • Mietpreisbremse: Berlin setzt eine effektive Mietpreisbremse um, die auch für Menschen mit geringem Haushaltsbudget bezahlbaren Wohnraum garantiert. Je höher die Mieten, desto wichtiger ist es für Menschen mit wenig Einkommen, dass sie billige Nahrungsmittel kaufen können. Der Anteil des Haushaltsbudgets für Nahrung kann entweder durch weniger Essen oder durch billigeren Einkauf gesenkt werden – die Mietkosten sind hingegen nicht flexibel durch die Konsument*innen beeinflussbar. Das heißt: Wirksame Maßnahmen zur Begrenzung von Mietpreisen können für einkommensschwache Menschen wesentlich verlässlicher und systematischer dazu beitragen, dass sie sich ausreichend gute Lebensmittel leisten können, als der Versuch, hier und da gute Lebensmittel für diese Konsument*innen preisgünstiger zu machen.
  • Durchmischte Stadt: In der Stadtplanung wird konsequent angestrebt, eine soziale Mischung zu erreichen. Das heißt, dass in neuen Baugebieten verschiedene Wohnungsgrößen und Eigentumsformen gemischt. Im Bestand wird beim Schließen von Baulücken und Umwandlung von Wohnraum ebenso darauf geachtet. Ebenso wird Platz für LEH verschiedener Größe mit geplant, also sowohl für kleine, inhabergeführte Läden als auch für größere Ketten. Mitgedacht wird zudem Fläche, um selber zu gärtnern – sowohl für kleine Einzelparzellen oder -beete als z.B. auch für Gemeinschaftsgärten. So werden Einkaufswüsten vermieden und alle Menschen haben wohnortnah Zugang zu regionalen Einkaufsmöglichkeiten und ggf. auch zu Flächen für den Eigenanbau.
  • Gute Gemeinschaftsverpflegung für Alle: Eine der wirkmächtigsten Möglichkeiten, um alle Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt den Zugang zu gutem Essen zu ermöglichen, ist eine gute, qualitative Gemeinschaftsverpflegung. Und zwar dort, wo alle Bevölkerungsgruppen hin und wieder oder regelmäßig versorgt werden müssen: in Kitas, Schulen, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Zwei Bedingungen sind dafür zentral: Erstens muss das angebotene Essen durchweg nicht nur nachhaltig produziert sein, sondern auch tatsächlich geschmacklich und optisch attraktiv für die jeweilige Zielgruppe sein. Und zweitens: Das Essen muss für alle unabhängig vom Einkommen zur Verfügung stehen – das heißt der Zugang zur Mittagsversorgung in Kitas und Schulen muss für alle kostenlos möglich sein und die Qualität der Versorgung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen darf keinen Unterschied zwischen gesetzlich und privat Versicherten machen. Die unlängst in Berlin beschlossene kostenlose Kita- und Schulversorgung ist ein sinnvoller Schritt in die richtige Richtung, muss aber verbindlich verknüpft werden mit Maßnahmen zur Steigerung der Qualität, damit Kinder und Jugendliche auch tatsächlich gutes Essen auf den Tisch bekommen. Die gesetzlichen Grundlagen für den Betrieb von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in Berlin sollte Auflagen für eine gute, nachhaltig produzierte Verpflegung beinhalten. Wie die weitgehend kostenneutrale Umstellung auf eine gute, nachhaltig produzierte Gemeinschaftsverpflegung geht, macht Kopenhagen mit seinem Madhus seit rund zehn Jahren vor.
  • Gute Ernährung als Grundrecht: Auch auf Bundesebene muss sich der Senat mit seiner Stimme im Bundesrat für ein sozial gerechteres Ernährungssystem stark machen. Denn auf lokaler Ebene gibt es zwar Ansätze, Zugang zu gutem Essen für alle zu verbessern, doch nicht alles kann vor Ort allein gelöst werden. Immer mehr Menschen in Deutschland sind nicht in der Lage, sich „angemessen und in Würde zu ernähren“, wie es das Menschenrecht auf Nahrung verlangt. Besonders betroffen sind Kinder aus Hartz-IV-Haushalten, Rentner*innen sowie Geflüchtete. Klar ist, dass man sich mit Hartz IV-Regelsätzen kaum ausreichend frisches Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und hochwertiges Eiweiß leisten kann, um eine ausgewogene, gesundheitsfördernde Ernährung zu garantieren – ganz zu schweigen von einer nachhaltig produzierten. Damit alle Menschen ausreichend Geld zur Verfügung haben, um sich angemessen und würdevoll ernähren zu können, muss der Senat sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Grundsicherung für alle hier lebenden Menschen – egal welcher Herkunft – genug Mittel für gutes Essen einplanen. Die dafür notwendigen Finanzmittel sollten durch ein Steuersystem finanziert werden, dass konsequent Reichtum besteuert, insbesondere durch die Wiederanwendung der Vermögenssteuer sowie eine Finanztransaktionssteuer] . Zudem sollte dringend das Mehrwertsteuersystem überarbeitet werden, damit tatsächlich konsequent Grundnahrungsmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs entlastet und Luxusartikel belastet werden.